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Planeten Denken. Hyper-Antizipation und Biografische Tiefenzeit
Armen Avanessian | Daniel Falb, Planeten Denken. Hyper-Antizipation und Biografische Tiefenzeit, merve, 2024 © Armen Avanessian | Daniel Falb

Der Begriff der Planetarität ist in den letzten Jahren immer wichtiger geworden, um zu greifen, wie Menschen heute mit ihrem Gastplaneten interagieren und auf ihm präsent sind. Extraktivismus, Klimawandel und menschliche Landnutzungsmuster kon¬stituieren eine nicht mehr nur ökologische, sondern geologische Transformation des Erdsystems: sie schließen sich kurz mit der Kondition des Planeten und verändern sie. Zugleich ermöglichen erdumspannende Systeme der Datenaggregation und Berechnung es Forschenden aus Natur- und Geisteswissenschaften, diese Veränderungen in Echtzeit zu verfolgen und damit Planetarität auf die (mentale) Landkarte zu setzen. Das Buch unternimmt eine doppelte Intervention in diesen neuen Diskurs: Erstens stellt das Buch Planetarität in einen astrobiologischen Kontext. Damit behebt es einen spürbaren Mangel an theo¬re¬ti¬scher Fundierung und verlagert den Fokus von einem räumlichen zu einem zeitlichen Verständnis von Planeten als sich ständig wandelnden Entitäten. Dabei hat sich die Eigenzeit der Erde heute radikal beschleunigt. Planeten denken fokussiert daher zweitens auf das Ineinander von planetarischer und biographischer Zeit, das für dieses Zeitalter der technologischen und wissenschaftlichen Akzeleration so paradigmatisch ist wie seine ethischen und politischen Implikationen unbegriffen.

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Im Rücken des Engels der Geschichte
Annie Bourneuf, Im Rücken des Engels der Geschichte, merve, 2024 © Annie Bourneuf

Das Buch nimmt seinen Ausgang bei einer Entdeckung der Künstlerin R. H. Quaytman, der beim genaueren Betrachten von Paul Klees »Angelus Novus« von 1920 aufgefallen war, dass Klee das Bild auf einen Kupferstich aus dem 19. Jahrhundert aufmontiert hatte, von dem gerade so wenig sichtbar ist, dass er jahrzehntelang übersehen/ignoriert wurde. Annie Bourneuf geht der Frage nach, warum dieses (nur fast) verborgene Blatt von Bedeutung ist, und welche künstlerischen, politischen und theologischen Konstellationen sich in diesem Bild aus dem ursprünglichen Besitz Walter Benjamins, das sich später bei Theodor W. Adorno und zuletzt bei Gershom Scholem wiederfindet, verschränken.

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Prompt
Prompt, merve, 2025

Technik bestimmt unsere Lage. Sogenannte »künstliche Intelligenzen« kommen für immer mehr Anwendungen zum Einsatz. KI verspricht Prozesse effektiver, zügiger und menschenfreundlicher zu machen. Entscheiderïnnen greifen für ihre Planungen und Szenarien auf KIs zurück, schon weil sich die Menge der Daten nicht anders bewältigen lässt. Wie lange dauert es, bis sich dieses Verhältnis umkehrt - bis nicht die Regierung die KI ›verwendet‹, sondern andersherum? Würde sich diese Umkehr der Machtverhältnisse zu erkennen geben? Oder wachen wir eines Tages in einer von künstlichen Intelligenzen arrangierten Wirklichkeit auf, ohne es zu bemerken. Und: Liegt dieser Tag in der Zukunft oder in der Vergangenheit?

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